Vor einiger Zeit hat ein Blogger des ICCT eine anschauÂliche RechÂnung aufgeÂmacht: Nach Angaben ihres DachÂverbandes IATA haben die Airlines weltweit von 2010 bis 2019 einen NettoÂprofit von 220 Milliarden Dollar eingeÂfahren. In der gleichen Zeit haben sie 7,8 Milliarden Tonnen KohlenÂdioxid emittiert. Hätten sie dafür einen (sehr modeÂraten) Preis von 40 US$/t zahlen müssen, wären das 310 Milliarden Dollar gewesen - Geld, das für die Bekämpfung des KlimaÂwandels fehlt.
Diese Summe nennt der Autor "soziale Kosten" und schliesst, dass Airlines selbst in dieser für sie sehr profiÂtablen Periode ein "soziales Defizit" von über 100 Mrd. US-Dollar erzeugt und daher ein Problem mit der "Klima-Bonität" haben, obwohl die Rechnung nicht einmal die sonstigen KliaÂwrkungen des LuftÂverkehrs (und auch nicht die umfangÂreichen SubvenÂtionen) einÂschliesst. Daher seien Bailouts für die LuftÂverkehrsÂwirtÂschaft ohne strenge KlimaÂauflagen die bei weitem schlechÂteste Methode, die Pandemie-Krise zu überÂwinden.
Ein anderer MeinungsÂbeitrag diskutiert Risiken und Kosten, die der FlugÂverkehr der GesellÂschaft durch seinen Beitrag zu KlimaÂwandel und PandeÂmie-AusbreiÂtung auferlegt. Er kommt u.a. zu dem Schluss, dass die COVID19-bezoÂgenen SubvenÂtionen das 'soziale Defizit' um weitere 100 Milliarden US erh¶hen und ein nachÂhaltiger LuftÂverkehr nur in deutlich reduÂziertem Umfang und zu deutlich höheren Preisen möglich ist.
Die LuftfahrtÂindustrie hat in der VergangÂenheit nicht viel getan, um ihre "KlimaÂbonität" zu verbesÂsern. Einziger Erfolg war die VerbesÂserung der EffiÂzienz der TriebÂwerke, die zu einer Senkung des TreibÂstoffÂverbrauchs und damit der EmisÂsionen pro gefloÂgenem Personen- oder Tonnen-KiloÂmeter geführt hat. Eine ICCT-Studie zeigt, dass dieser Verbrauch seit 1970 um etwa 1% pro Jahr abgenommen hat, wobei die Rate anfangs deutlich höher war, zwischenÂzeitlich fast stagÂnierte und in der letzten Dekade wieder auf fast 1,5% zugeÂnommen hat. Dies war aber einer Reihe neuer FlugzeugÂtypen zu verdanken, die inzwischen alle eingeÂführt sind, so dass die Abnahme in der nächsten Periode deutlich geringer sein wird.
Das wird sich auch durchen von der ICAO immer wieder hervorÂgehobenen neuen CO2-Standard nicht ändern, der ohnehin erst 2028 vollÂständig wirksam wird. Die Studie zeigt nämlich auch, dass dieser Standard der MarktÂentwickÂlung um mehr als 10 Jahre hinterÂher hinkt. Neue Flugzeuge halten ihn bereits seit 2016 ein, und was immer in den nächsten Jahren auf den Markt kommt, muss besser werden, um konkurÂrenzÂfähig zu sein. Das ICAO-Ziel, den Verbrauch über die gesamte Periode bis 2050 im Mittel um jährlich 2% zu senken, wird dadurch auf keinen Fall erreicht. Und dass selbst dieses Ziel vï¿llig unzuÂreichend ist, hat ICAO selbst mehr oder weniger deutlich in Analysen und Beschlüssen zugegeben.
Eine zweite ICCT-Studie geht noch etwas mehr ins Detail und zeigt für drei ausgeÂwählte Jahre, wie sich die EmisÂsionen des LuftÂverkehrs zusammenÂsetzen. Daraus ergibt sich unter anderem, dass PassaÂgierÂflüge (die auch Fracht befördern können), 85% der EmisÂsionen erzeugen. Die fünf Länder, die für die meisten PassaÂgierÂflüge verantÂwortlich sind, sind (in dieser ReihenÂfolge) die USA, China, GroßÂbritannien, Japan und DeutschÂland, die EU als Ganzes würde auf Platz 2 stehen. Große UnterÂschiede gibt es auch zwischen FlugzeugÂtypen, wobei kleine RegionalÂflieger am schlechÂtesten abschneiden. InteresÂsant auch, dass LuxusÂpassaÂgiere (First und Business Class) 3-4 mal mehr EmisÂsionen erzeugen als die Economy Class und für 20% aer FlugÂemissionen verantÂwortlich sind und das der Verkehr bis 2019 fast viermal schneller gestiegen ist als die TreibÂstoffÂeffiÂzienz, mit entspreÂchendem Zuwachs der TreibÂhausgas-EmisÂsionen und sonstigen KlimaÂschäden.
Eine mehr sozio-ökonoÂmisch orienÂtierte Studie hebt hervor, dass die meisten klima-releÂvanten EmisÂsionen des LuftÂverkehrs nicht durch KlimaÂpolitiken abgeÂdeckt sind und dass diese EmisÂsionen extrem ungleich verteilt sind. Dieser letzte Punkt wird mit interesÂsanten Zahlen hinterÂlegt: danach sind 2018 nur 11% der WeltÂbevölkeÂrung überÂhaupt geflogen, nur 4% in interÂnatioÂnalen Flügen. VielÂflieger, die maximal 1% der WeltÂbevölkeÂrung ausmachen, sind für mehr als die Hälfte derEissionen aus dem PassaÂgierÂverkehr verantÂwortlich. EinzelÂpersonen, die vorwieÂgend in PrivatÂjets im sog. GeschäftsÂflugverkehr unterwegs sind, erzeugen dabei bis zu 7.500 Tonnen KohlenÂdioxid-EmisÂsionen pro Jahr. Der Beitrag von MilitärÂflügen ist ebenÂfalls bedeutend, wird aber nirgendwo in vollem Umfang erfasst.
Das einzige explizite "KlimaÂschutz-InstruÂment", das ICAO je beschlossen hat, das KompenÂsationsÂsystem CORSIA, das ab 2020 zumindest ein "klimaÂneutrales Wachstum" des FlugÂverkehrs gewährÂleisten sollte, ist bereits bankrott, bevor es begonnen hat. Einige seiner gravieÂrendsten Probleme, wie z.B. die Tatsache, dass große LuftÂfahrtÂnationen wie China, Indien und Russland zumindest zunächst nicht teilÂnehmen und dass die Kriterien für die Offsets nicht verbindÂlich sind, sind allerÂdings aktuell ohne Bedeutung. Durch den ICAO-Beschluss vom letzten Jahr, das BezugsÂjr für die Emissionen auf 2019 (statt 2019 und 2020) festzuÂlegen, wird es nach dem Pandemie-bedingten Einbruch einige Jahre dauern, ehe es überÂhaupt wieder ein WachsÂtum gegenÂüber 2019 geben wird. KonseÂquenter Weise kommen auch Industrie-Analysen zu dem Schluss, dass in der ersten CORSIA-Phase keinerÂlei Offsets gebraucht werden. Für spätere Phasen stehen dann mehr als genug Offsets zur Verfügung, so dass bestenÂfalls minimale Kosten auf die Airlines zukommen. Für Europa berechnet eine Studie im Auftrag der NG TransÂport & EnvironÂment', dass selbst eine KombiÂnation von CORSIA und dem europäÂischen EmissionsÂhandelsÂsystem EU-ETS nur Kosten in der Höhe von BruchÂteilen eines Prozents der operaÂtiven Kosten erzeugen würde. TatsächÂlich reduziert werden die CO2-Emis&shÂsionen natürÂlich durch keines der beiden Systeme. Und der grössere Anteil der KlimaÂschäden durch den FlugÂverkehr wird von beiden nicht thematisiert.
Aber künftig wird alles besser: neue Konzepte weisen den Weg in die Zukunft. So hat der globale umweltÂpolitische NebelÂwerfer der LuftÂfahrtÂindustrie, die 'Air Transport Action Group' (ATAG), eine neue Studie mit dem Titel Waypoint 2050 vorgeÂlegt, die Pfade definiert, wie das vor mehr als 10 Jahre (also vor dem Pariser KlimaÂschutz-Abkommen) defiÂnierte "anspruchsÂvolle Ziel", die CO2-Emissionen der Luftfahrt bis 2050 gegenüber 2005(!) um 50% zu reduÂzieren, doch noch erreicht werden kann. Dieses Papier ist an FrechÂheit kaum noch zu überbieten.
 Um weiteres Wachstum des FlugÂverkehrs (wenn auch im Vergleich zu früheren Zielen etwas reduÂziert) rechtÂfertigen zu können, erklärt es dieses antiÂquierte Ziel zu einem "WegÂpunkt" zu einem GesamtÂziel, das "Netto-NulEmisÂsionen" 10 bis 15 Jahre später erreichen will und mit den KlimaÂzielen von Paris vereinbar sein soll. Selbst wenn das wahr wäre: Alle aufgeÂzeigten Wege dorthin basieren wesentÂlich auf VerbrenÂnungs-TechnoÂlogien, und damit bleiben die KlimaÂwirkungen durch KondensÂstreifen/WolkenÂbildung und StickoxidÂemissionen auch weiterÂhin erhalten. Aber damit nicht genug, fallen für ATAG unter "SustainÂable Aviatin Fuels" auch eine breite Palette von bio-basierten KraftÂstoffen, deren KohlenÂstoff- und Emissions-Bilanz teilweise nicht besser ist als die fossiler BrennÂstoffe und dernsoziale KonseÂquenzen verheerend sein können - eine Einschätzung, die auch durch das neue Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung 'Globale Umweltveränderungen' im Kern bestätigt wird. Und nicht zuletzt betont das Papier auch noch immer wieder, dass die ErforÂschung und BereitÂstellung alterÂnativer TreibÂstoffe massiv subvenÂtioniert werden müssen, damit sie überÂhaupt nachgeÂfragt werden.
Für Europa konkreÂtisiert ein Policy Paper einer ArbeitsÂgruppe des 'World Economic Forum', wie und wo die Gelder abgeÂgriffen werden sollen - von GaranÂtien für die ProduÂzenten solcher TreibÂstoffe bis zu SubvenÂtionen für die Airlines für TreibÂstoffe und Fluggerät.
Aktuelle DefiniÂtionen und Politiken der EU für solche 'nachÂhaltigen TreibÂstoffe' stimmen bereits teilweise mit diesen FordeÂrungen überein und müssen nur wenig diÂfiziert werden. LedigÂlich die eingeÂsetzten finanÂziellen Mittel müssten drastisch steigen, um die gewünschten Effekte zu erreichen. Eine entspreÂchende Initiative der EU-KommisÂsion, die auch die entspreÂchenden politischen RahmenÂbedingungen setzen soll, ist gerade in Arbeit und soll noch in diesem Jahr umgesetzt werden. Dass die staatÂlich geförderte Forschung für die Luftfahrt hierzuÂlande bereits bestens funktioÂniert unÂd weiter funktioÂnieren wird, verkündet das zuständige 'Deutsche Zentrum für Luft- und RaumÂfahrt' (DLR) stolz in einem White Paper zusammen mit dem 'BundesÂverband der Deutschen Luft- und RaumfahrtÂindustrie' (BDLI), das den Kurs zum "klimaÂneutralen Fliegen" aufzeigen soll. Dafür sollen "flieÂgende DemonÂstratoren ... beim Thema ElekÂtrisches Fliegen, bei WasserÂstoff, bei neuen KraftÂstoffen und bei neuen FlugÂzeugÂkonfiguÂrationen" entwickelt werden.
Etwas umfassender in der Analyse ist die Roadmap to TrueZero der BeratungsÂfirma Roland Berger, die zumindest alle KlimaÂwirkungen des LuftÂverkehrs im Blick behält und die technoÂlogischen MöglichÂkeiten etwas realisÂtischer einÂschätzt. Daher kommt sie auch zwangsÂläufig zu dem Ergebnis, dass 'klimaÂneutrales Fliegen' nicht möglich ist und selbst bei optiÂmaler EntwickÂlung aller techÂnischen MöglichÂkeiten ein mehr oder weniger grosser Rest bleibt, der kompenÂsiert werden muss. Die KonseÂquenz, diesen Rest zu miniÂmieren, indem der FlugÂverkehr auch im Umfang eingeÂschränkt wird, ziehen sie allerÂdings auch nicht.
Für die Antriebs-TechnoÂlogien sieht die Roadmap alle drei techÂnischen Lösungen vor: elekÂtrischen Antrieb fürie KurzÂstrecke, WasserÂstoff- bzw. BrennÂstoffÂzellen-Antrieb oder Hybrid-Antriebe für die MittelÂstrecke und nachÂhaltige (flüssige) TreibÂstoffe für die LangÂstrecke. Der Umfang und die ZeitÂskala, auf der diese zur Verfügung stehen, bleiben allerÂdings verschwommen. Lediglich für den ElektroÂantrieb sehen sie die EinfühÂrung gleich hinter dem Horizont, müssen aber bei der BetrachÂtung der bestehenden Initiativen festÂstellen, dass "... viele planen, kommerÂziell nutzbare FlugÂzeuge in 5-15 Jahren auszuÂliefern. (eigene ÃœberÂsetzung)". 2035 ist aber der ZeitÂpunkt, wo die fortÂgeschritÂtensten Länder bereits 'KlimaÂneutralität' erreicht haben müssten, wenn das 1,5°C-Ziel eingeÂhalten werden soll.
Für die MittelÂstrecke glaubt Airbus, ebenÂfalls bis 2035 neue FlugÂzeuge mit WasserÂstoff-Antrieb entwickeln zu können. Erste ReakÂtionen von NGOs begrüssen diese Absicht, weisen aber darauf hin, dass solche Konzepte ohne fördernde politische RahmenÂbedingÂungen, sprich PreisÂsetzungen, keine Chance haben. Das zeigt sich auch darin, dass existieÂrende Lösungen für TeilÂprobleme wie den BodenÂverkehr schlicht nicht umgeÂsetzt werden, weil sie zu teuer sind.
Und auch die Frage, wo der WasserÂstoff für diese Antriebe herkommen soll, ist längst nicht gelöst. Die ProdukÂtion von 'grünem WasserÂstoff' aus erneuerÂbaren Energien befindet sich noch im ForschungsÂstadium, und die Gefahr, dass wenig klimaÂfreundlich produÂzierter 'grauer WasserÂstoff' zum Einsatz kommen könnte, ist sehr real. Aber auch die Frage, woher 'grüner WasserÂstoff' kommen soll, ist noch umstritten. Eine optiÂmistische Studie des WupperÂtal-InstiÂtuts sieht genüÂgend PotenÂtial für die einheiÂmische ProdukÂtion, die zugleich ein "neues WirtÂschaftsÂwunder" erzeugen könnte. Derzeit aber wird WasserÂstoff aus WindÂenergie hierzulande nur in sehr geringen Mengen produziert und vermarktet. Die Bundesregierung setz alerdings ohnehin mehr auf Importe und konzentriert sich auf den Einsatz in der Industrie. Für den Luftverkehr sieht ihre Nationale Wasserstoffstrategie lediglich eine Beimischung zum normalen Kerosin von ganzen 2% bis 2030 vor.
Offen ist auch noch die Frage, welche KlimaÂwirkungen diese FlugÂzeuge noch haben werden. Auch WasserÂstoff-getrieÂbene FlugÂzeuge emittieren klimaÂschädliche Gase, denn die Umsetzung von WasserÂstoff zu Wasser erzeugt neben WasserÂdampf u.a. auch StickÂoxide, die klimaÂwirksam sind.
Die Klima-Defizite des LuftÂverkehrs sind also in der Tat vielÂfältig. EinerÂseits wird das Ausmaß des Problems geleugnet und versucht, die Frage auf die KohlenÂdioxid-EmisÂsionen des FlugÂverkehrs zu reduÂzieren, andererÂseits werden die Probleme der Einführung klima-verträgÂlicherer Lösungen herunterÂgespielt und die MöglichÂkeiten technoÂlogischer Lösungen grandios überÂtrieben. Dahinter steht als grösstes Defizit eine völlige Verantwortungslosigkeit der großen Konzerne und ihrer Manager, denen die kurzfristige Sicherung ihrer Profite weitaus wichtiger ist als eine langfristig nachhaltige Entwicklung des gesamten Sektors.
Vor diesem HinterÂgrund sind die aktuellen FordeÂruen der UmweltÂverbände für eine nachÂhaltige MobilitätsÂwende im FlugÂverkehr noch viel zu unpräzise und zurückÂhaltend. Zwar wird "Vermeidung und Verlagerung" als "der primäre und zentrale Ansatz der Dekarbonisierungs-Strategie für den Flugverkehr" durchaus in den Vordergrund gestellt, aber das Ausmaß, in dem das passieren muss, bleibt verschwommen. Auch wird betont: "Dekarbonisierung allein reicht allerdings nicht. Auch die sogenannten Nicht-CO2-Effekte wie der Ausstoß von Stickoxiden, Ruß und Wasserdampf von Flugzeugen sind zu berücksichtigen" und die Schaffung eines "Rahmens für eine verantwortungsvolle, effiziente und nachhaltige Produktion grünen Wasserstoffs für den Einsatz im Flug- und Schiffsverkehr" gefordert. Klare Aussagen dazu, inwieweit so etwas aktuell möglich ist, und was passieren muss, wenn es nicht erreicht werden kann, fehlen aber noch. Ohne massive EinschränÂkungen gerade auf den entwicketn Märkten USA und Europa wird der LuftÂverkehr seinen Beitrag zur EinhalÂtung der Pariser KlimaÂziele nicht leisten können. Derartige Einschränkungen können allerdings nur gegen den massiven Widerstand der Konzerne und der ihnen hörigen Politiker durchgesetzt werden.
Quelle: www.bi-fluglaerm-raunheim.de