Nach langen und schwierigen Verhandlungen mit der Luftverkehrswirtschaft hat Minister Al-Wazir nun endlich ein Papier präsentiert, das beschreiben soll, wie die Lärmobergrenze für den Frankfurter Flughafen funktionieren soll. Es enthält einige Unterschiede im Vergleich zu dem Modell, das er vor mehr als einem Jahr vorgestellt hat, aber besser ist es nicht geworden. Im Gegenteil: soweit die Berichterstattung sich nicht auf Kurzmeldungen beschränkt, rückt sie die Tatsache in den Mittelpunkt, dass die Vereinbarung völlig unverbindlich ist und kommentiert das kritisch.
Es bleibt also dabei, dass die Lärmobergrenze daraus bestehen soll, dass die Fläche innerhalb zweier Isophonen, in denen die 'Hochbetroffenen' und die 'Höchstbetroffenen' wohnen, begrenzt werden soll, d.h. ein Grenzwert für ihre Gesamtausdehnung, unabhängig von ihrer genauen Form, festgelegt wird. Diese Flächen werden jährlich überprüft, und wenn sie einmal überschritten sein sollten, beginnt man, gemeinsam nachzudenken, was man dagegen tun könnte. Werden sie aber im darauffolgenden Jahr wieder überschritten, dann - macht jeder, was er will, und was er auch tun würde, wenn es diese Vereinbarung nicht gäbe. Alberner geht es eigentlich nicht.
Die Pressemitteilung, mit der das Ministerium das Ergebnis verkündet, und die Präsentation, die das Ganze erklären soll, unterscheiden sich nur unwesentlich von dem, was ein Jahr vorher veröffentlicht wurde. Die Grafiken sind die gleichen, nur der Text und die Gestaltung sind noch pompöser geworden, um die Inhaltslosigkeit zu überdecken.
Das Papier, das wohl die eigentliche Vereinbung darstellen soll, enthält allerdings einen Absatz, der staunen lässt. Da heisst es:
"Die Lärmobergrenze wird durch zwei Flächenkriterien in Hektar definiert. Das Maß der Lärmobergrenze sind die Flächeninhalte der Flächen, die von den beschriebenen Isophonen eingeschlossen werden. Ziel ist, dass beide Kriterien eingehalten bleiben.
Der erste Flächeninhalt ergibt sich aus der in der LAeq 6-22 Uhr 56,8 dB(A) Isophone eingeschlossenen Fläche. Dies entspricht der um 1,8 dB verkleinerten Tag-Schutzzone 2 (LAeq 6-22 Uhr 55 dB(A)) des Lärmschutzbereichs für den Flughafen Frankfurt Main. Der umschlossene Flächeninhalt beträgt 22.193 ha.
Der zweite Flächeninhalt ergibt sich aus der in der LAeq 6-22 Uhr 61,8 dB(A) Isophone eingeschlossenen Fläche. Dies entspricht der um 1,8 dB verkleinerten Tag-Schutzzone 1 (LAeq 6-22 Uhr 60 dB(A)) des Lärmschutzbereichs für den Flughafen Frankfurt Main. Der umschlossene Flächeninhalt beträgt 8.815 ha."
Von den hier genannten Isophonen-Werten 56,8 dB(A) und 61,8 dB(A) ist sonst nirgendwo die Rede, selbst im unmittelbar folgenden Absatz über das Monitoring werden wieder nur die auch vorher genannten Werten 55 und 60 dB(A) erwähnt. Einfache Tippfehler können es allerdings nicht sein, da ja explizit erläutert ist, wie sie zustande kommen ("um 1,8 dB(A) verkleinert ..."). Was würde es bedeuten, wenn das ernst gemeint wäre?
Da die angegebenen Flächeninhalte die sind, die die unverkleinerten Schutzzonen beschreiben, würde es heissen, dass sich die inneren, lauteren Zonen bis zur Grenze der jetzigen Schutzzonen ausdehnen dürfen - es dürfte also noch lauter werden, als selbst der Planfeststellungsbeschluss, nach dem die jetzigen Schutzzonen berechnet sind, vorsieht!
Das widerspricht natürlich allen sonstigen Darstellungen dieser Vereinbarung und wäre eine handfeste Irreführung der Öffentlichkeit. Glaubt das Ministerium wirklich, mit nem derartigen Betrug durchzukommen und öffentlich etwas ganz anderes behaupten zu können als tatsächlich beschlossen wurde? Oder sind hier einfach ein paar Sätze in das Papier geraten, die in einem anderen Zusammenhang formuliert wurden, und keiner hat es gemerkt, weil es eh keinen interessiert, was da genau drin steht? Man kann kaum sagen, was peinlicher wäre.
Vor diesem Hintergrund ist es ein schlechter Scherz, wenn einer der Beteiligten, die Fluglärmkommission, in einer eigenen Pressemitteilung zu dem Ergebnis kommt, die Vereinbarung sei zwar unbefriedigend, aber man habe damit wenigstens "einen Fuß in der Tür". Selbst wenn Letzteres richtig sein sollte: es ist die falsche Tür, sie führt nicht zu mehr Lärmschutz.
Ist Al-Wazirs Lärmobergrenze nun eine Lachnummer oder ein Betrugsversuch? Egal wie der oben zitierte Absatz zu verstehen ist, es ist beides. Eine Lachnummer deshalb, weil die getroffenen Regelungen unabhängig davon, welche Flächen da nun angeblich begrenzt werden sollen, aufgrund ihrer technischen Sinnlosigkeit und völligen Unverbindlichkeit nicht ernst genommen werden können, und ein Betrugsversuch, weil hier der Öffentlichkeit vorgegaukelt werden soll, es würden Maßnahmen umgesetzt, die irgendwie zur Begrenzung des Fluglärms beitragen könnten, obwohl sie absolut wirkungslos sind.
Wenn die Fluglärmkommission ihre Hoffnungen darauf setzt, dass diese Vereinbarung doch irgenwie wirken könnte, weil "die Nichteinhaltung von vereinbarten Regeln am Flughafenstandort einen erheblichen Vertrauensverlust für die Luftverkehrswirtschaft aber auch die hessische Landesregierung bedeuten würde", dann macht sie sich Illusionen. Esibt kein Vertrauen mehr, das diese Akteure noch verspielen könnten.
Quelle: www.bi-fluglaerm-raunheim.de, Aktuelles, 07.11.2017