Luftverkehr: Das war der Gipfel

Die Überschrift könnte aller­dings täuschen. Der Natio­nale Luft­verkehrs­gipfel 2020 war, wie auch schon sein Vorgänger, eher ein Nicht-Ereignis. Viele Medien berich­teten erst garnicht darüber, ledig­lich in der Sued­deutschen haben wir einen längeren Artikel gefunden, der im Wesent­lichen erklärt, warum so gut wie nichts beschlossen wurde. ür die Veran­stalter, die Luft­verkehrs­lobby und ihr poli­tischer Statt­halter, Verkehrs­minister Scheuer, war die wesent­liche Öffent­lich­keits­arbeit aber ohnehin schon vorher gelaufen. Die Bot­schaften sind dabei seit Monaten die­selben: die Luft­fahrt ist ein volks­wirt­schaft­lich extrem wichtiger Sektor, der ohne eigene Schuld durch die Pandemie in größte Not gestürzt wurde, und sie braucht nun ganz viele Subven­tionen, damit alles wieder so wird, wie es vorher war. Die Abschluss­erklä­rung fasst das nur nochmal zusammen, zählt auf, was die Bundes­regie�run schon alles getan hat, und betont darüber hinaus auch noch, dass auch der unren­tabelste Regio­nalflug­hafen weiter­hin erhalten bleiben soll. 

Gerade der letzte Punkt ist dem Herrn Minister sehr wichtig, und er möchte auf alle Fälle nochmal eine Milliarde Euro für die Flug­häfen locker­machen. Im Bundes­haushalt ist das aller­dings nicht vorge­sehen, so dass jetzt hinter verschlos­senen Türen mit Finanz­ministe­rium und den Bundes­ländern weiter verhandelt wird. Fach­blätter regis­trieren entspre­chend enttäuscht, dass es nur Bekennt­nisse zu hören gab und schnelle Hilfe für Flug­häfen noch nicht sicher ist.
Kritische Journa­listen merken statt dessen an, dass man durchaus ein paar Flug­häfen dicht­machen könnte. Der BUND wird noch konkreter und fordert die Schliessung von zehn Regio­nal­flug­häfen. Dabei bezieht er sich auf ein schon etwas älteres Luft­verkehrs­konzept der Umwelt­verbände, das aller­dings gerade in diesem Punkt über­arbeitungs­bedürftig ist. Noch weiter geht die Initia­tive 'Am Boden bleiben', die eine Schlies­sung aller Regio­nal­lu­häfen fordert. Nur die letzten beiden erwähnen zumindest die Notwen­digkeit einer deut­lichen Einschrän­kung des Flug­verkehrs insgesamt, stellen diese Forde­rung aber nicht in den Vorder­grund.

Kritik kommt auch von Gewerk­schaften, die die Inter­essen der verschie­denen Arbeit­nehmer-Gruppen in der Luft­fahrt-Indus­trie nicht berück­sichtigt sehen. Dabei ist aller­dings nur in der ver.di-Erklä­rung über die Siche­rung von Arbeits­plätzen und Arbeits­beding­ungen hinaus davon die Rede, dass staat­liche Unter­stützung an eine "Trans­formation" hin zu einem "sozial und ökolo­gisch nach­haltigen Luft­verkehr" gebunden werden sollte. Weder die Flug­begleiter-Organi­sation UFO noch die Piloten- Vereini­gung Cockpit lassen in ihren Erklä­rungen erkennen, dass sie etwas anderes wollen als ein Zurück zum 'Normal­zustand', wie er vor der Pandemie geherrscht hat.
Dass der aber in den jetzigen Struk­turen zumindest für die Arbeit­nehmer­*innen nicht erreicht werden wird, wissen auch die Gewerk­schaften. Sie beklagen, dass Arbeit­geber die Krise miß­brauchen, "um auf Kosten der Beschäf­tigten Wett­bewerbs­vorteile zu gewinnen", dass die "in der gemein­samen Erklä­rung gefor­derten Kosten­kürzungen ... im stark umkämpften Luft­verkehrs­markt nach­haltig Existenz­grund­lagen von tausenden Arbeit­nehmern" bedrohen und dass sich die Politik i"sehr stark auf die Unter­nehmen konzen­triert" und "die Anliegen der Hundert­tausenden Beschäf­tigten und ihrer Familien ... weit­gehend außer Acht gelassen" hat. Aktuell verdeut­licht Fraport, was das heisst: dort soll der Personal­abbau dazu führen, dass "2200 Stellen bei der Konzern­mutter weg­fallen, 1800 bei Töchtern, vor allem bei der Boden­verkehrs­dienst-Tochter Fraground". Und das lang­fristig, obwohl spätestens 2025 schon wieder die Verkehrs­zahlen von 2019 erreicht werden sollen. Selbst wenn dann wieder Leute einge­stellt werden sollten, werden dabei "lang­fristige massive Verschlech­terungen der Arbeits- und Tarif­bedingungen", die ver.di befürchtet, durch­gesetztweden.

Die Tatsache, dass dieser Gipfel keine neuen, hand­festen Skandale produziert hat, ist kein Grund zur Beruhi­gung. Die Grosse Koalition setzt die Luft­verkehrs­poltik, mit der sie ange­treten ist, unbeirrt fort und möchte die Luft­fahrt in ihrer bishe­rigen Struktur erhalten und möglichst bald wieder wachsen lassen. Die Subven­tionen fliessen in großem Stil weiter und werden, wie im Fall Luft­hansa, an keinerlei Auf­lagen gebunden. Alle Forde­rungen der Luft­verkehrs­lobby zur schnellen Wieder­aufnahme von Flügen, so verant­wortungs­los sie auch sein mögen, werden vom Verkehrs­minister unter­stützt.
Veran­staltungen wie diese dienen grund­sätzlich nicht dazu, Probleme ernst­haft zu disku­tieren oder gar Entschei­dungen zu treffen. Nicht einmal für die interne Abstim­mung werden sie wirk­lich gebraucht, dafür kennen sich die Betei­ligten viel zu gut und sind auch so in dauerndem Kontakt. Ihr Haupt­zweck ist es, der Öffent­lichkeit die Kern­botschaften in den Kopf zu hämmern: Luft­verkehr ist extrem wichtig, und er braucht jetzt in allen Bereichen viel Steuer­geld, damit er wieder so werden kann, wie er vorher war.
Dem müsste aktuell mit Nach­druck eine Kampagne entgegen­gesetzt werden, die wie #SavePeopleNotPlanes fordert: erstens ein Hilfs­paket, das die finan­zielle Absiche­rung und Gesund­heit der betrof­fenen Beschäf­tigten sicher­stellt, zweitens einen Struktur­wandel in Richtung klima­gerechte Mobilität ein­leitet und drittens dafür sorgt, dass die, die jetzt mit Steuer­geldern gerettet werden, künftig auch Steuern zahlen (die Petition der Kampagne gibt es auf deutsch hier).

 

Wenn diese Krise aber eine Chance sein soll, etwas Besseres als den Zustand vor der Pandemie aufzu­bauen, dann müssten die Weichen dafür jetzt gestellt werden. Alter­native Konzepte müssten jetzt mit Nachdruck propa­giert und Über­zeugungs­arbeit in der Öffent­lichkeit und an den entschei­denden poli­tischen Schalt­stellen geleistet werden. Je länger Gelder in die alten Struk­turen fliessen, umso mehr werden sie wieder stabili­siert, und um so schwerer sind sie künftig zu über­winden. Leider sind Konzepte, die ein über­zeugendes Geschäfts­modell für einen "sozial und ökolo­gisch nach­haltigen Luft­verkehr" darstellen und den Weg dahin skizzieren könnten, derzeit noch Mangel­ware, und Kräfte, die sie mit dem nötigen Nachdruck vertre­ten könnten, fehlen ebenso.

Quelle: www.bi-fluglaerm-raunheim.de