Die Überschrift könnte allerdings täuschen. Der Nationale Luftverkehrsgipfel 2020 war, wie auch schon sein Vorgänger, eher ein Nicht-Ereignis. Viele Medien berichteten erst garnicht darüber, lediglich in der Sueddeutschen haben wir einen längeren Artikel gefunden, der im Wesentlichen erklärt, warum so gut wie nichts beschlossen wurde.
Gerade der letzte Punkt ist dem Herrn Minister sehr wichtig, und er möchte auf alle Fälle nochmal eine Milliarde Euro für die Flughäfen lockermachen. Im Bundeshaushalt ist das allerdings nicht vorgesehen, so dass jetzt hinter verschlossenen Türen mit Finanzministerium und den Bundesländern weiter verhandelt wird. Fachblätter registrieren entsprechend enttäuscht, dass es nur Bekenntnisse zu hören gab und schnelle Hilfe für Flughäfen noch nicht sicher ist.
Kritische Journalisten merken statt dessen an, dass man durchaus ein paar Flughäfen dichtmachen könnte. Der BUND wird noch konkreter und fordert die Schliessung von zehn Regionalflughäfen. Dabei bezieht er sich auf ein schon etwas älteres Luftverkehrskonzept der Umweltverbände, das allerdings gerade in diesem Punkt überarbeitungsbedürftig ist. Noch weiter geht die Initiative 'Am Boden bleiben', die eine Schliessung aller Regionalluhäfen fordert. Nur die letzten beiden erwähnen zumindest die Notwendigkeit einer deutlichen Einschränkung des Flugverkehrs insgesamt, stellen diese Forderung aber nicht in den Vordergrund.
Kritik kommt auch von Gewerkschaften, die die Interessen der verschiedenen Arbeitnehmer-Gruppen in der Luftfahrt-Industrie nicht berücksichtigt sehen. Dabei ist allerdings nur in der ver.di-Erklärung über die Sicherung von Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen hinaus davon die Rede, dass staatliche Unterstützung an eine "Transformation" hin zu einem "sozial und ökologisch nachhaltigen Luftverkehr" gebunden werden sollte. Weder die Flugbegleiter-Organisation UFO noch die Piloten- Vereinigung Cockpit lassen in ihren Erklärungen erkennen, dass sie etwas anderes wollen als ein Zurück zum 'Normalzustand', wie er vor der Pandemie geherrscht hat.
Dass der aber in den jetzigen Strukturen zumindest für die Arbeitnehmer*innen nicht erreicht werden wird, wissen auch die Gewerkschaften. Sie beklagen, dass Arbeitgeber die Krise mißbrauchen, "um auf Kosten der Beschäftigten Wettbewerbsvorteile zu gewinnen", dass die "in der gemeinsamen Erklärung geforderten Kostenkürzungen ... im stark umkämpften Luftverkehrsmarkt nachhaltig Existenzgrundlagen von tausenden Arbeitnehmern" bedrohen und dass sich die Politik i"sehr stark auf die Unternehmen konzentriert" und "die Anliegen der Hunderttausenden Beschäftigten und ihrer Familien ... weitgehend außer Acht gelassen" hat. Aktuell verdeutlicht Fraport, was das heisst: dort soll der Personalabbau dazu führen, dass "2200 Stellen bei der Konzernmutter wegfallen, 1800 bei Töchtern, vor allem bei der Bodenverkehrsdienst-Tochter Fraground". Und das langfristig, obwohl spätestens 2025 schon wieder die Verkehrszahlen von 2019 erreicht werden sollen. Selbst wenn dann wieder Leute eingestellt werden sollten, werden dabei "langfristige massive Verschlechterungen der Arbeits- und Tarifbedingungen", die ver.di befürchtet, durchgesetztweden.
Die Tatsache, dass dieser Gipfel keine neuen, handfesten Skandale produziert hat, ist kein Grund zur Beruhigung. Die Grosse Koalition setzt die Luftverkehrspoltik, mit der sie angetreten ist, unbeirrt fort und möchte die Luftfahrt in ihrer bisherigen Struktur erhalten und möglichst bald wieder wachsen lassen. Die Subventionen fliessen in großem Stil weiter und werden, wie im Fall Lufthansa, an keinerlei Auflagen gebunden. Alle Forderungen der Luftverkehrslobby zur schnellen Wiederaufnahme von Flügen, so verantwortungslos sie auch sein mögen, werden vom Verkehrsminister unterstützt.
Veranstaltungen wie diese dienen grundsätzlich nicht dazu, Probleme ernsthaft zu diskutieren oder gar Entscheidungen zu treffen. Nicht einmal für die interne Abstimmung werden sie wirklich gebraucht, dafür kennen sich die Beteiligten viel zu gut und sind auch so in dauerndem Kontakt. Ihr Hauptzweck ist es, der Öffentlichkeit die Kernbotschaften in den Kopf zu hämmern: Luftverkehr ist extrem wichtig, und er braucht jetzt in allen Bereichen viel Steuergeld, damit er wieder so werden kann, wie er vorher war.
Dem müsste aktuell mit Nachdruck eine Kampagne entgegengesetzt werden, die wie #SavePeopleNotPlanes fordert: erstens ein Hilfspaket, das die finanzielle Absicherung und Gesundheit der betroffenen Beschäftigten sicherstellt, zweitens einen Strukturwandel in Richtung klimagerechte Mobilität einleitet und drittens dafür sorgt, dass die, die jetzt mit Steuergeldern gerettet werden, künftig auch Steuern zahlen (die Petition der Kampagne gibt es auf deutsch hier).
Wenn diese Krise aber eine Chance sein soll, etwas Besseres als den Zustand vor der Pandemie aufzubauen, dann müssten die Weichen dafür jetzt gestellt werden. Alternative Konzepte müssten jetzt mit Nachdruck propagiert und Überzeugungsarbeit in der Öffentlichkeit und an den entscheidenden politischen Schaltstellen geleistet werden. Je länger Gelder in die alten Strukturen fliessen, umso mehr werden sie wieder stabilisiert, und um so schwerer sind sie künftig zu überwinden. Leider sind Konzepte, die ein überzeugendes Geschäftsmodell für einen "sozial und ökologisch nachhaltigen Luftverkehr" darstellen und den Weg dahin skizzieren könnten, derzeit noch Mangelware, und Kräfte, die sie mit dem nötigen Nachdruck vertreten könnten, fehlen ebenso.
Quelle: www.bi-fluglaerm-raunheim.de