Schon als Fraport vor drei Jahren zwei brasilianische Flughäfen übernommen hat, zeichnete sich ab, dass sich dort neue Skandale entwickeln würden. Nur ein Jahr später eskalierte der Konflikt um die Umsiedlung der Menschen, deren Siedlungen dem Ausbau der Rollbahn am Flughafen Porto Alegré im Süden Brasiliens im Weg waren.
Dieser Ausbau ist, neben der Umwandlung des Terminals in ein Luxus-Shopping-Center, ein Kernprojekt der Fraport. Der Flughafen soll durch massive Ausweitung des Flugbetriebs, insbesondere des Frachtverkehrs, profitabel gemacht werden. Dabei wird, wie bei Fraport üblich, keinerlei Rücksicht auf Rechte und Gesundheit der Bevölkerung in der Umgebung des Flughafens genommen.
Während der Widerstand vor Ort zumindest partiell Unterstützung von lokaler Politik und Justiz bekam, konnte sich Fraport in diesem Konflikt auf die ultrarechte Bundesregierung des Präsidenten Bolsonaro verlassen, die, seit 2018 im Amt, in der folgenden Zeit alle juristischen Hindernisse aus dem Weg räumte. Sie brachte die Justiz schließlich dazu, die verfassungsmäßigen Besitzrechte der Bevölkerung der zwei betroffenen Siedlungen zu ignorieren, die dem Ausbau direkt im Weg stehen. Darüber hinaus wurden die von Fraport organisierten privaten Räumkommandos zwecks Einschüchterung der Betroffenen von Militärpolizei begleitet. Damit konnte bereits ein grosser Teil der ehemaligen Wohnbevölkerung in weit entfernte Siedlungen, überwiegend ohne geenete Schulen und Arbeitsplätze, abgedrängt werden.
Für dieses Vorgehen wurde Fraport u.a. von Friends of the Earth, der Dachorganisation des BUND, als Musterbeispiel für Menschenrechtsverletzungen durch europäische Konzerne an den Pranger gestellt. In allen Hauptversammlungen der Fraport seit 2018 haben die Kritischen Aktionäre und der BUND den Fraport-Vorstand für dieses Vorgehen kritisiert und beantragt, ihn deshalb nicht zu entlasten. Auch die lokale Presse hat vereinzelt darüber bericet. Der übergroßen Mehrheit der Aktionäre und den Mitgliedern des Aufsichtsrates, auch denen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und ver.di, waren Menschenrechtsverletzungen bisher jedoch offensichtlich gleichgültig.
Aktuell läuft nun das letzte Kapitel dieses Teils des Skandals. Die noch verbliebenen Bewohner, die weiterhin Widerstand leisten, werden in sog. 'Güteverhandlungen' ("conciliatory hearings") gezwungen. Dies sind gewöhnlich Anhörungen, in denen die beteiligten Parteien in Person und mit Beratern vor einem Gericht oder Ausschuss erscheinen und ihre Standpunkte darlegen können. Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie, die in Brasilien gerade wieder besonders heftig zuschlägt, sind solche Anhörungen jedoch nicht möglich.
Um ihren Ausbau-Zeitplan nicht zu gefährden, hat Fraport daher einen Container der Behörde, die die Umsiedlungen organisieren soll, mit Internet-Anschluss ausrüsten lassen, damit die Anhörungen online stattfinden können. Die Forderung der Betroffenen und internationaler Unterstützer, die Anhörungen auszusetzen, bis wenigstens eine sichere Durchführung möglich ist, wurden ignoriert. Seit dem 1. März werden die Anhörungen durchgezogen, wobei die Richter*innen und die Fraport-Beauftragten in ihren Büros am Bildschirm sitzen, die Bewohner*innen der Siedlung aber sich unter beengten Verhältnissen in diesem Container einfinden müssen. Wie uns eine Aktivistin vor Ort berichtet, können dabei nicht einmal Berater*innen an den Diskussionen teilnehmen. Zugleich sollen die Betroffenen dazu genötigt werden, längst abgelehnte Umsiedlungsvorschläge anzunehmen oder Abfindungen zu akzeptieren, die nur einem Bruchteil dessen entsprechen, was sonst bei Umsiedlungen in Brasilien üblich ist.
/p
Auch diesen Ausbau wird Fraport mit Unterstützung kurzsichtiger, reaktionärer Politiker und willfähriger Juristen durchsetzen. Da hilft es auch nicht, dass nicht nur die ca. 5.000 Menschen aus den beiden geräumten Siedlungen, sondern auch Zehntausende im weiteren Umfeld des Flughafens unmittelbar darunter leiden und mit ihrer Gesundheit bezahlen werden. Und die Klimawirkungen ihrer Tätigkeit haben Fraport auch noch nie interessiert.
Trotzdem ist es wichtig, über diese Vorgänge zu informieren, sie im Gedächtnis zu behalten, und die Scheinheiligkeit der hiesigen Fraport-Unterstützer zu entlarven, die sich um Menschenrechte bestenfalls dann kümmern, wenn sie nicht mit Konzerninteressen in Konflikt geraten. Das beweist auch deren Umgang mit dem Lieferkettengesetz, für das die GroKo nun in ihren letzten Zügen einen völlig unzureichenden Entwurf vorgelegt hat. Nicht einmal die schwachen Standards, die UN und OECD für die Verantwortung von Konzernen für ihre internationalen Tätigkeiten vorgegeben haben, sollen vollständig umgesetzt werden.
Die notwendige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu mehr Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz wird es jedoch nur geben, wenn die Interessen der Menschen überall im Vordergrund stehen - und nicht mehr der Profit.
Quelle: www.bi-fluglaerm-raunheim.de, Aktuelles