UFP-Projekt

Es war eins der wenigen umwelt­politischen Highlights im 2. Koalitions­vertrag der schwarz-grünen Landes­regie­rung: "Aufbauend auf den Erfah­rungen der NORAH-Studie wollen wir ... eine umfassende Unter­suchung der Ultra­feinstaub-Belastung in der Rhein-Main-Region vornehmen." Fast zweiein­halb Jahre nach dieser Ankün­digung kann man ziemlich sicher sein, dass daraus (wieder einmal) nicht viel Brauch­bares werden wird.

Schon die vorbe­reitende Experten­anhörung, die vor einem Jahr durch­geführt wurde, hatte das ungute Gefühl hinter­lassen, dass die wirk­lich entschei­denden Fragen garnicht geklärt werden sollten. Inzwischen hat der Konvent des Forum Flug­hafen und Region, das im Auftrag des Landes dieses Projekt durch­führen soll, die Aus­schrei­bung für das erste Teil­projekt beschlossen, und sie liefert weitere Indizien, dass die Befürch­tungen nur allzu berechtigt sind. (Der Text ist nicht veröffent­licht, aber angeb­lich beim FFR auf Anfrage verfügbar).

Das Projekt soll aus drei Teil­projekten bestehen. Im ersten wird das 'Studien­design' entwickelt, d.h. ein Konzept ausge­arbeitet, was und wie in den beiden anderen Teil­projekten unter­sucht werden soll. Im zweiten Teil­projekt sollen die Belas­tungen erfasst werden, denen die Menschen im Umfeld des Flug­hafens durch Ultra­fein­staub ausge­setzt sind, d.h. es muss gemessen und (vor allem) model­liert werden, wo und wann wieviel und welche Art von Ultra­feinen Partikeln (UFP) vorhanden sind. Das dritte Teil­projekt soll erforschen, welche gesund­heit­lichen Folgen diese Belas­tungen für die Menschen haben. Soweit, so plausibel.
Aber natür­lich darf nicht jede/r mitreden darüber, was erforscht werden soll, oder Ideen einbringen, wie das zu machen wäre. Viel­mehr hat das FFR im Anhang besagter Aus­schrei­bung klare Vorgaben gemacht, was da alles hinein­gepackt werden soll, und dabei die Inhalte des Teil­vorha­bens 2, der Belastungs­studie, weit­gehend vorweg¿½genommen. Und genau da liegt das Problem.

Es soll eine "eine vertiefte Betrach­tung von UFP hinsicht­lich sämt­licher möglicher Quellen, Eigen­schaften und Mengen sowohl emissions­seitig als auch immissions­seitig" erfolgen, zwar mit Schwer­punkt "auf dem Betrieb des Flug­hafens Frank­furt (Boden und Luft)", aber auch "wichtige weitere Quellen, insb. der Kfz-Verkehr, Industrie­anlagen u.a." sollen erfasst werden. Aber eine Schad­stoff­klasse allein ist natür­lich zuwenig: "Um einer einsei­tigen Fokus­sierung auf UFP vorzu­beugen ...", "... sind weitere relevante Mess­größen mit Bedeutung für das 3. Teil­vorhaben zu erfassen".

Das klingt alles ganz toll und gründ­lich, und wenn unbe­grenzte Mittel für das Vorhaben zur Verfügung stünden, wäre auch nichts dagegen zu sagen. In der Praxis wird es aller­dings darauf hinaus laufen, dass eine Konzen­tration auf die entschei­denden offenen Fragen vermieden wird und aufwän­digere Unter­suchungen zu deren Klärung nicht möglich sein werden. Dass sie auch nicht gewünscht werden, macht die folgende detail­lierte Liste der Projekt­inhalte deutlich.

Von den 14 Unter­punkten beschäf­tigen sich nur 3 explizit mit dem Flughafen, wobei eine "Differen­zierung zwischen Boden- und Luft­verkehr" erfolgen und "unter­schied­liche Trieb­werke, deren Betriebs­zustände und verwendete Kraft­stoffe" betrachtet werden sollen, und letzt­endlich ist auch "zu klären, wie weit sich UFP vom Flughafen (auch unter Berück­sichti­gung/dem Einfluss von meteoro­logischen Para­metern bzw. dem physika­lischen Zustand der Atmo­sphäre) in das Umland ausbreiten und bis zu welcher Flughöhe UFP-Emis­sionen von star­tenden und lan­denden Luft­fahrzeugen für Immis­sionen auf Boden­niveau relevant bzw. nach­weisbar sind". Damit wird auch hier die Prämisse aufrecht erhalten, dass die wesent­lichen UFP-Belas­tungen durch den Flug­verkehr vom Flughafen selbst ausgehen und der Flugbetrieb in der Region, wenn über­haupt, besten­falls eine Neben­rolle spielt.

Und das steht auch noch gleich­gewichtig neben Aufgaben wie "die typische Belas­tung in Innen­räumen (getrennt mindestens nach Wohn- und Arbeits­räumen) zu berück­sichtigen" - ein Forschungs­bereich, in dem bereits große Projekte durch­geführt wurden, in dem aber immer noch wesent­liche Fragen offen sind. Mit solchen Themen kann man hervor­ragend Ressourcen verbrauchen, die sonst vielleicht für kritische Frage­stellungen benutzt werden müssten.

Was diese kritischen Frage­stellungen sein müssten, ist bei den bisher am Flughafen Frank­furt durchge­führten Projekten über­deutlich geworden. Schon beim UBA-Projekt "Einfluss eines Groß­flug­hafens auf zeit­liche und räum­liche Vertei­lungen der Außen­luft­konzen­trationen von Ultra­fein­staub ..." haben sich die früh­zeitig geäus­serten Befürch­tungen, dass das Igno­rieren der startenden und besonders der landenden Flugzeuge als Emissions­quelle und die für ultra­feine Partikel völlig unge­eignete Model­lierung brauch­bare Ergeb­nisse verhindern würden, in vollem Umfang bestägt (wohl deswegen gibt es bis heute keinen Abschluss­bericht für dieses Projekt). Auch ein EU-Projekt, das Mitte letzten Jahres begonnen wurde, sich mit ganz ähnlichen Themen­stellungen beschäftigt und mit Janicke Consulting die gleichen Model­lierungs-Spezia­listen beschäftigt, hat bis heute kein einziges Ergebnis vorgelegt - aber das kann natür­lich auch Pandemie-bedingt sein.

Auch die Messungen des HLNUG am Frank­furter Flughafen weisen in die gleiche Richtung. Inzwischen liegt auch der 3. Bericht vor, und auch darin gibt es wieder eine Reihe interes­santer Details, versteckt hinter der hart­näckigen Weigerung, die offen­kundigen Schluss­folgerungen auch wirklich zu formu­lieren. So wird schon in der Einleitung fest­gestellt, "auch bis in eine Entfernung von ca. 11 km spiegelt sich der Einfluss des Flug­betriebs in den UFP-Konzen­trationen wider". Warum das aber so ist, eibt völlig unklar, denn gleich­zeitig wird an dem Dogma festge­halten, dass nur "... Lande­anflüge bei niedrigen Flug­höhen (bis ca. 400 m) einen Beitrag zur UFP-Konzen­tration leisten können", aber in dieser Höhe fliegt dort nichts. Auch wird erstmalig festge­stellt, dass an der Meßstation Raunheim auch Partikel "aus Richtung der niedrigen Lande­anflüge auf die Lande­bahn Nordwest" (S.13) gemessen werden können, aber für die Meßstation Schwanheim werden solche Einflüsse nicht weiter betrachtet. Der Schritt, die gemes­senen Anzahl­konzen­trationen nicht nur mit der Wind­richtung, sondern auch mit der tatsäch­lich geflogenen Betriebs­richtung und mit einzelnen Über­flügen zu korre­lieren, wird ängst­lich vermieden.

Dass man das tun kann, zeigt eine statis­tische Analyse der HLNUG-Daten für die Station Raunheim von 2015 bis 2017, die an der Hochschule Rüssels­heim durch­geführt wurde. Zwar wurde auch hier mit Halb­stunden-Mitteln der Partikel­anzahl-Konzen­tration gearbeitet, so dass einzelne Über­flüge nicht zu erkennen sind, trotz­dem gibt es ein deut­liches Ergebnis: "Die statis­tische Auswer­tung der Gesamt­heit aller Daten zeigt ... einen Zusammen­hang zwischen Konzen­trations­mittel­werten und Über­flug­anzahl. Statis­tisch ergibt sich eine Zunahme von ca. 1.100 Partikeln pro cm3 pro zusätz­lichem Überflug ...".

Warum aber werden die Schluss­folgerungen, die einem aus den Meßergeb­nissen geradezu entgegen­schreien und die inter­national längst akzep­tiert sind, so hart­näckig geleugnet? Das wird klar, wenn man sich betrachtet, wer die hart­näckigsten Leugner sind, die zugleich auch im FFR den größten Einfluss haben: die Luft­verkehrs­wirtschaft, allen voran Fraport. Die hatte sich von Anfang an geweigert, selbst die Ultra­fein­staub­belastung am Flughafen zu messen, weil sie gesetz­lich nicht dazu verpflichtet war, und versucht, die HLNUG-Messungen, als sie endlich statt­fanden, herunter­zuspielen. Zu guter Letzt haben sie dann noch eine völlig absurde Argumen­tation verbreitet, um den Einfluss der Über­flüge zu verschleiern. Und auch, wenn hier aktuell Funk­stille herrscht (der 'Luft­hygienische Jahres­bericht 2019' ist seit Monaten über­fällig), machen sie im Hinter­grund genug Druck, damit solche Projekte ihre Behaup­tungen nicht mehras absolut nötig gefährden können.

Zynisch könnte man also sagen, dass Luft­verkehrs­wirtschaft und Landes­regierung tatsäch­lich auch diese Studie "aufbauend auf den Erfah­rungen der NORAH-Studie ..." durch­führen werden, denn auch dort wurde versucht, die Studie von vorne­herein so anzulegen, dass möglichst keine kriti­schen Ergeb­nisse heraus­kommen können. Auch hier könnte es aller­dings so sein, dass dennoch einige Frage­stellungen wissen­schaft­lich seriös abgear­beitet werden und Ergeb­nisse produ­zieren, die das Thema wirklich voran bringen. Zuviel Hoffnung darf man darauf aller­dings nicht haben. Die beiden entschei­denden Frage­stellungen, um die tatsäch­liche Belastung durch den Flug­verkehr zu klären, nämlich "Wie und wo kommen die Emis­sionen der über­fliegenden Flug­zeuge am Boden ?" und "Wie lässt sich die Ausbrei­tung ultra­feiner Partikel aus dem Flug­betrieb sinnvoll model­lieren?", sind so komplex, dass sie wohl kaum als Neben­produkt eines im Kern falsch konzi­pierten Projekts gelöst werden können.
Um hier wirklich voran zu kommen, brauchte man sowohl in der Landes­regierung und ihren nachge­ordneten Institu­tionen als auch im Manage­ment der betei­ligten Konzerne Expert­*innen, die sich dem öffent­lichen Inter­esse verpflichtet fühlen, als auch eine infor­mierte Öffent­lichkeit, die solche Projekte kritisch begleiten und auf Fehlent­wicklungen recht­zeitig aufmerksam machen könnte. An beidem besteht aktuell ein gravie­render Mangel.

Quelle: www.bi-fluglaerm-raunheim.de